Die „Tante Anna“ kommt wieder nach Europa!

Der Beginn einer Leidenschaft

Ende Oktober 2001: Ein Weßlinger Fliegerfreund schenkte mir zum 40. Geburtstag ein kleines Flugzeugmodell. Die Antonov 2, der größte Doppeldecker der Welt! Dieses Präsent sollte für mich der Beginn einer großen Leidenschaft werden. Aus dem Traum, einmal einen „richtigen“ Sternmotor mit 1000 PS zu fliegen, wurde bald ein konkreter Plan. Etliche Flüge in Ungarn und Slowenien folgen, dann schließt ein Checkflug bei einem Luftfahrtunternehmen die Ausbildung ab. Classic Wings betreibt vier AN-2 für Nostalgieflüge in Deutschland.

Ein Traum wird wahr

Im Februar 2004 plötzlich ein Anruf: „Hast du Lust eine AN-2 aus Namibia nach Süddeutschland zu überführen?“ Die historische Maschine Baujahr 1957 setzte Classic Wings zwei Jahre lang für Safariflüge ein. Vier Wochen lang telefonierte und faxte ich intensiv mit dem schwarzen Kontinent, dann waren alle Landegenehmigungen erteilt. Das DLR steuerte Sicherheitsausrüstung wie Satellitentelefon, Rettungsinsel und Schwimmwesten bei. Endlich war es soweit: Ein LTU-Jet bringt die Crew in 9Std nach Windhoek. Noch am gleichen Tag wird die „Tanta Anna“ startbereit gemacht. Mit ihr wird die Rückreise quer durch Afrika etwas länger dauern: Bei 180km/h sind es über 60 Flugstunden entlang der alten 10500km langen Postroute! Dann, bei den Victoriafällen Afrika life: Kein Flugbenzin! Erst am nächsten Tag kommt der Spritlaster, trotz zweier Reifenpannen an der Vorderachse! Mit der Äquatornähe wird auch das Wetter zunehmend kritischer. Hochreichende Wolken über den Livingstone Bergen zwingen die Antonov auf über 3000m. Von den 1000PS ist da nicht mehr viel übrig, nur fliegerisches Feingefühl vermag es, den schwerbeladenen Doppeldecker in dieser Höhe zu halten. Ein seltener Blick auf die wolkenfreie Schneekuppe des Kilimandscharo, dann landen wir in Nairobi. Der nächste Abschnitt führt nach Khartoum. Wegen politischer Unruhen im Südsudan werden dort immer wieder Flugzeuge durch Schüsse bedroht. Einheimische Piloten raten uns daher dringend möglichst hoch zu fliegen und besiedelte Gebiete zu meiden. Vollbeladen mit 1800 Liter Sprit, 200 Liter Öl, Crew und Gepäck fliegt der Doppeldecker aber wie ein „nasser Sack“. Doch das Wetter meint es gut: Es hat die ganze Nacht geregnet, die Wege sind für Rebellen unpassierbar. Die AN-2 kann sich unter tiefhängenden Wolken verstecken, bald waren die kritischen Gebiete glücklich überflogen. In Ägypten eine ganz neue Herausforderung: Die Flugabfertigung in Luxor verlangte sportliche 700$ Landegebühr! Nur zähes Verhandeln konnte den Preis auf 575$ drücken! Um so größer war die Freude, als die Anna endlich in Kreta europäischen Boden berührte. 725 Meilen Non Stop dank starken Rückenwinds! Wieder hatte das Wetter mitgeholfen. Dann noch ein Hupfer quer über Albanien zur Perle der Adria: Dubrovnik. Schließlich die letzte Etappe, auf die ich schon so lange gewartet hatte: Oberpfaffenhofen!

Willkommen „Tante Anna“

Zur meiner besonderen Freude ermöglichte eine Einladung des DLR eine Sonderlandeerlaubnis in „Obi“. Ist doch dieser Platz für mich als Weßlinger seit 10 Jahren meine fliegerische Heimat.
Kaum am Boden, wird der Doppeldecker von Mitgliedern der Flugsportgruppe, Freunden aus Weßling und der Presse umringt, auch das bayerische Fernsehen ist dabei. Überwältigt durch den herzlichen Empfang, dauert es für mich eine ganze Weile loszulassen, zu begreifen, daß diese spannende Reise nun zu Ende geht. Ein letztes Mal Motor- und Ölcheck, dann ist unser treuer Vogel wieder in der Luft. Begleitet von der Vereinsmaschine DO27 geht es nach Bad Wörishofen. Von ihrer neuen Heimat aus wird die „Tante Anna“ in Zukunft zu Nostalgieflügen abheben.

Verfasser: Andreas Wild, Berufspilot & Fluglehrer DLR